Leisten Beschäftigte Überstunden, möchten sie diese auch bezahlt wissen. Hier erkläre ich dir, wann das Unternehmen Überstunden mit dem Gehalt abgelten darf und was du alles beim Ausgleich von Überstunden beachten solltest.
- Überstunden mit Gehalt abgegolten: Ist das zulässig?
- Darf der Arbeitgeber Mehrarbeit anordnen?
- Wann darf ich mich gegen Überstunden wehren?
- Ab wann leistet ein Arbeitnehmer Überstunden?
- Muss mein Arbeitgeber Überstunden bezahlen?
- Kann ich für Überstunden Freizeitausgleich beanspruchen?
- Wie kann ich Überstunden nachweisen?
- Fazit
1. Überstunden mit Gehalt abgegolten: Ist das zulässig?
Häufig finden sich in Arbeitsverträgen Vereinbarungen, wonach Überstunden mit dem normalen Gehalt abgegolten sind. Das bedeutet, dass das Unternehmen Überstunden nicht zusätzlich zum regulären Gehalt bezahlt.
Doch damit eine solche Regelung zulässig ist, muss diese einige Anforderungen erfüllen:
- Die Klausel muss genau festhalten, wie viele Überstunden den oder die Beschäftigte(n) höchstens treffen können.
- Auch müssen die Vertragsparteien festlegen, ob die Überstunden bezahlt werden.
Beispiel:
- Eine Vereinbarung, die vorsieht, dass eine unbeschränkte Anzahl von Überstunden bereits per regulärem Gehalt abgegolten wird, ist unwirksam.
- Eine Regelung, die hingegen einen Umfang von 3 Überstunden pro Woche bei einer Vergütung auf Grundlage des monatlichen Gehalts vorsieht, ist grundsätzlich wirksam.
Bei einer unwirksamen Überstundenklausel können Arbeitnehmer grundsätzlich eine branchenübliche Bezahlung verlangen.
Menschen, die Dienste höherer Art erbringen oder ein damit vergleichbar hohes Gehalt beziehen, können in der Regel auch ohne Abgeltungsklausel keine Überstundenvergütung verlangen (s. dazu noch unten).
Gegenüber Auszubildenden ist die Abgeltung von Überstunden mit dem gewöhnlichen Gehalt grundsätzlich ausgeschlossen.
2. Darf der Arbeitgeber Mehrarbeit anordnen?
Überstunden dürfen grundsätzlich nur angeordnet werden, wenn dies im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist. In deinem Arbeitsvertrag ist der Umfang der von dir zu leistenden Arbeit grundsätzlich festgelegt. Ohne eine solche Klausel darf das Unternehmen gegen deinen Willen also keine Überstunden anordnen.
Ausnahmen sind nur in seltenen Fällen möglich.
- Der Arbeitgeber darf Überstunden in besonderen Notsituationen anordnen. Das ist bei nicht nur sprichwörtlichen Katastrophen, wie einer Überschwemmung oder einem Brand, der Fall, die für das Unternehmen nicht vorhersehbar und existenzgefährdend sind.
- Überstunden können auch bei besonderen betrieblichen Erfordernissen gerechtfertigt sein. Dies ist z.B. denkbar, wenn ein Unternehmen mit den normalen Arbeitszeiten den Betrieb nicht mehr aufrechterhalten kann, weil zu viele Beschäftigte erkrankt sind.
3. Wann darf ich mich gegen Überstunden wehren?
Wenn Überstunden im Arbeitsvertrag nicht vorgesehen sind und auch sonst keine Ausnahmesituation vorliegt, darfst du angeordnete Überstunden grundsätzlich ablehnen. Hier ist jedoch Vorsicht geboten, denn wenn die Anordnung der Überstunden rechtmäßig ist, verweigerst du mit deiner Ablehnung zu Unrecht deine Arbeit. Nach vorheriger Abmahnung kann dies eine ordentliche Kündigung rechtfertigen. Während der Probezeit und in Kleinbetrieben fällt der Kündigungsschutz geringer aus, sodass das Unternehmen theoretisch mit einer Kündigung reagieren könnte. Es empfiehlt sich daher, die angeordneten Überstunden zunächst zu leisten und gut zu dokumentieren, um dann im Anschluss die Zulässigkeit der Überstunden mit einer Anwältin für Arbeitsrecht zu besprechen.
Beschäftigte in Teilzeit oder Kurzarbeit darf das Unternehmen regelmäßig nicht zu Überstunden verpflichten. Dies würde nämlich dem Wesen von Teilzeitarbeit widersprechen – Ausnahmen sind jedoch möglich.
4. Ab wann werden Überstunden geleistet?
Ab wann Beschäftigte Überstunden leisten, hängt in erster Linie von den Arbeitszeitregelungen im Arbeitsvertrag ab. Dort ist in der Regel die Wochenarbeitszeit bestimmt. Sobald du diese überschreitest, sammelst du Überstunden an.
Aber Vorsicht, der Arbeitgeber darf nicht unbegrenzt Überstunden anordnen. Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) lässt im Regelfall nur eine tägliche Arbeitszeit von acht Stunden zu. Die Arbeitszeit pro Tag darf vorübergehend auf maximal zehn Stunden erhöht werden, wenn innerhalb der nächsten sechs Monate ein Zeitausgleich erfolgt. Das bedeutet, dass innerhalb des Ausgleichszeitraums von sechs Monaten oder 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden nicht überschritten werden.
Beispiel: Ein Vollzeitbeschäftigter arbeitet an vier Tagen in einer bestimmten Woche jeweils zehn Stunden, macht also zwei Stunden über dem täglichen Limit. Am fünften Tag arbeitet er nur acht Stunden, wahrt also die Höchstarbeitszeit an diesem Tag. Im Durchschnitt kommt er dann auf 9,6h täglich. Der Arbeitgeber muss nun dafür sorgen, dass in den nächsten 24 Wochen oder sechs Monaten im Schnitt höchstens 8h am Tag anfallen. An einigen Tagen wird der Arbeitnehmer also unter 8h pro Tag arbeiten müssen.
Wenn du mehr arbeitest, als das ArbZG zulässt, drohen dem Arbeitgeber Bußgelder.
5. Muss mein Arbeitgeber Überstunden bezahlen?
Grundsätzlich zahlt das Unternehmen Überstunden zusätzlich zum normalen Lohn. Diese Regel gilt jedoch nicht ausnahmslos. In folgenden Fällen kannst du nicht mit einer Vergütung rechnen:
- Dein Arbeitgeber möchte gar nicht, dass du Überstunden leistest. Er hat sie weder angeordnet noch hat er sie gebilligt oder nachträglich genehmigt. Achte also darauf, dass du Überstunden nur in Absprache leistest.
- In deinem Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung ist die Bezahlung von Überstunden ausgeschlossen. Näheres dazu findest du im ersten Abschnitt.
- Menschen in leitenden Positionen und Berufsgruppen, die „Dienste höherer Art“ leisten, bekommen Überstunden in der Regel auch nicht vergütet.
Typische Vereinbarungen im Arbeitsvertrag sehen eine pauschale Vergütung für eine bestimmte Anzahl von Überstunden oder eine Regelung vor, die eine Vergütung von Überstunden erst ab einer bestimmten Stundenanzahl einräumt. Tarifverträge regeln oft auch Zuschläge zum normalen Stundenlohn. Fehlt es an einer anderen Vereinbarung, kannst du die Höhe des Lohns bei einer 40-Stunden-Woche mit folgender Formel berechnen:
Jahresbruttogehalt / 12 / 174 = Bruttostundenlohn
Hinweis: Auch auf Überstunden fallen Sozialabgaben an und diese sind wie der normale Lohn zu versteuern.
6. Kann ich für Überstunden Freizeitausgleich beanspruchen?
Auch wenn die Vergütung von Überstunden in Geld die Regel ist, kannst du Überstunden auch durch Freizeit ausgleichen. Ob und in welchem Umfang dies möglich ist, muss sich allerdings aus dem Arbeitsvertrag ergeben. Eine entsprechende Vereinbarung kannst du aber auch im Nachhinein mit deinem Arbeitgeber treffen – am besten schriftlich.
Häufig vereinbaren die Parteien einen Freizeitausgleich der Überstunden nach einer (konfliktreichen) Kündigung. So soll der oder die gekündigte Beschäftigte Resturlaub und Überstunden während der Kündigungsfrist abbauen, damit der Arbeitgeber darauf keine Abgeltungszahlungen leisten muss. Dies geschieht dann ausdrücklich im Rahmen einer sog. Freistellung.
7. Wie kann ich Überstunden nachweisen?
Um die ausstehende Vergütung oder den Freizeitausgleich vom Unternehmen einfordern zu können, musst du auch nachweisen können, dass du Überstunden geleistet hast und diese angeordnet waren. Die Beweislast liegt bei dir. Wir empfehlen dir daher, die geleisteten Überstunden genau zu dokumentieren. Durch Abfotografieren der digitalen Zeiterfassung oder Stempelkarten kannst du dich absichern. Aber auch die schriftliche Darlegung der geleisteten Überstunden unter Angabe der Tage und Zeiträume reicht unter Umständen aus, damit du deine Überstunden nachweisen kannst (BAG, Urteil vom 21.12.2016, Az. 5 AZR 362/16).
8. Fazit
- Überstunden können nur mit dem Gehalt abgegolten werden, wenn ausdrücklich vereinbart ist, wie viele Stunden die Beschäftigten maximal erwarten und dies einen bestimmten Umfang nicht übersteigt.
- Bei einer fehlenden Vereinbarung im Arbeitsvertrag darf das Unternehmen Überstunden nur in seltenen Ausnahmefällen anordnen.
- Bei unzulässig angeordneten Überstunden können Beschäftigte die Arbeit ohne Konsequenzen verweigern. Dies sollte jedoch unbedingt zuvor mit einer Anwältin für Arbeitsrecht besprochen werden.
- Sieht der Arbeitsvertrag nichts anderes vor, bezahlt das Unternehmen geleistete Überstunden in der Regel – etwas anderes gilt für sehr gut bezahlte Berufe und nicht angeordnete Überstunden.
- Du kannst einen Freizeitausgleich für Überstunden verlangen, wenn es im Arbeitsvertrag vorgesehen ist oder sich die Parteien im Nachhinein darauf einigen.
- Beschäftigte sollten geleistete Überstunden unbedingt genau dokumentieren, z. B. durch schriftliche Darlegung unter Angabe der Tage und genauen Zeiträume.